In der Bundesversammlung der Katholischen Landvolkbewegung Deutschlands, die Ende April im Bischof-Benno-Haus in Schmochtitz/Bautzen im Freistaat Sachsen tagte, erklärte der Bundesvorsitzende Hermann Kroll-Schlüter, dass die KLB die Haltung der Europäischen Kommission zur Grünen Gentechnik unterstütze und erfreut darüber sei, dass sie eine Verschärfung der GVO-Zulassungsbedingungen (GVO = gentechnisch veränderte Organismen) fordert.
Es sei richtig, das bei der Risikobewertung von GVO künftig die möglichen langfristigen Gefahren sowie die Auswirkungen auf die Artenvielfalt geprüft und wissenschaftliche Erkenntnisse zukünftig stärker beachtet werden sollen.
„Es geht tatsächlich darum, zu bewahren und zu gestalten: Die Vielfalt zu bewahren, die neuen Möglichkeiten verantwortlich zu gestalten, die Auswirkungen der neuen Technik in der Hand zu behalten,“ betonte der Bundesvorsitzende.
Hermann Kroll-Schlüter erklärte darüber hinaus, dass die Verbreitung von Hunger und Krankheit in der Welt vor allem aus einer Unausgewogenheit politischer wie ökonomischer Prozesse resultiert. Der technologische Fortschritt, besonders die Einführung von genveränderten Organismen, sogenannter GVOs, könnte diese Unausgewogenheit noch verschärfen. Andererseits können technologische Entwicklungen einschließlich der GVOs bei sorgfältigster Anwendung und Begrenzung auch dazu beitragen, Hunger und Armut zu reduzieren. Die Komplexität der Materie und die zu bedenkenden Folgewirkungen für die Umwelt und die Art der Landbewirtschaftung erfordern es, dass sowohl die Öffentlichkeit als auch die Landwirte umfassende und eindeutige Informationen über Vorteile und Risiken von GVOs für Menschen, Wirtschaft und Umwelt erhalten.
Rhöndorf, den 02.05.2006
Bad Honnef, d. 2. Mai 2006. Auf ihrer diesjährigen Bundesversammlung vom 28. bis 30. April hat die Katholische Landvolkbewegung (KLB) Deutschland ein Positionspapier zur Frage des möglichen Beitrages der Grünen Gentechnik zur Verbesserung der Nahrungsmittelsicherheit in Entwicklungsländern verabschiedet. Es ist das Ergebnis eines mehrjährigen Informationsauswertungs-, Reflexions- und Dialogprozesses innerhalb der KLB unter Einbeziehung von Partnern in Europa und aus Entwicklungsländern, das der Bundesvorsitzende der KLB und des Internationalen Ländlichen Entwicklungsdienstes (ILD), Hermann Kroll-Schlüter und der Geschäftsführer des ILD, Lothar Kleipaß, in 6 Punkten erläuterten:
Schmochtitz, d. 29. April 2006
Download: Thesen KLB zur Gentechnik 2006
Noch Mitte der 90er Jahre galt es als Mehrheitsstandpunkt der großen Volksparteien, aber auch der Kirchen, dass die eigentlichen ethischen Probleme der Gentechnik nicht in ihrer Anwendung im so genannten „grünen“, landwirtschaftlichen Bereich lägen, sondern ausschließlich im „roten“ Feld der Anwendung am Menschen. Dem entsprechend blieb auf dem Feld theologischer Ethik die Zahl der Veröffentlichungen zur Frage der grünen Gentechnik sehr gering. Das hat sich bis heute kaum geändert. Ist die rote Karte für eine grüne Technik also nur eine Sache farbenblinder Ökofundamentalisten? Oder gibt es womöglich auch bei differenzierter Betrachtung begründbare Bedenken, die in die Formulierung begrenzender Normen einfließen müssten?
Die anfangs enorm aufgeputschte und emotionsbeladene Atmosphäre in der Diskussion ist mittlerweile einer größeren Sachlichkeit gewichen. Während damals die BefürworterInnen in der grünen Gentechnik den Schlüssel zur Landwirtschaft des 21. Jh. sahen und die Lösung des Welthungerproblems versprachen, hat man heute diese messinanischen Verheißungen weitgehend auf Normalmaß zurückgeschraubt. Und während bei den GegnerInnen einst die Angst vor „Superunkräutern“ und totalresistenten „Megaschädlingen“ umging, kann heute viel unbefangener eingestanden werde, dass – unbesehen realer und ernst zu nehmender Gefahren – kein vernünftiger Grund für den Entwurf von Horrorszenarien besteht. Wie also können Chancen und Risiken der grünen Gentechnik einer verantwortbaren Abwägung zugeführt werden? Wie lassen sich ethische Regeln angeben, die den Umgang mit ihr in sinnvolle Bahnen lenken? Und: Welchen genuinen Beitrag zur Problemlösung kann hier die Theologie leisten? Diese Fragen leiten die folgenden Ausführungen. Dabei sollen in einem ersten Hauptteil die generellen Maßstäbe dargestellt werden, an denen sich eine ethische Beurteilung der Gentechnik orientieren muss. Im zweiten Hauptteil sollen auf dieser Grundlage einzelne Entwicklungen einer Bewertung zugeführt werden. Daraus ergibt sich abschließend eine Art moraltheologisches „Stimmungsbild“ im Blick auf die grüne Gentechnik.
1.1 Zwei „Irrwege“
Um den hier vertretenen Bewertungsmaßstab zu verdeutlichen, sollen zunächst zwei Argumente als haltlos erwiesen werden, die in der öffentlichen Diskussion über grüne Gentechnik immer wieder vertreten werden. Das erste Argument beruft sich auf die Natur und wird im Allgemeinen so formuliert: „Der Gentransfer über Artgrenzen hinweg ist widernatürlich und daher generell abzulehnen.“ Dem sind jedoch drei Einwände entgegenzustellen:
Das Naturargument ist damit nicht überflüssig. Ethisches Urteilen muss sehr wohl naturale Gesetzmäßigkeiten berücksichtigen. Sie sind gleichsam Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich verantwortetes Handeln vollzieht. Aber mit ihnen allein ist noch lange nicht hinreichend bestimmt, was ethisches Handeln ausmacht. Hierzu bedarf es vielmehr einer vom Menschen zu verantwortenden Gesamtdeutung der Welt im Blick auf einen Sinn, der weit jenseits aller Fakten der Natur liegt.
Neben dem Verweis auf die Natürlichkeit taucht im christlichen Abendland häufig der Rekurs auf die alleinige Schöpfermacht Gottes auf: „Gott allein ist der Herr des Lebens!“, „Mit dem Eingriff in das Erbgut spielt sich der Mensch zum Schöpfer auf! oder auch, wie der britische Thronfolger Prinz Charles nicht müde wird zu betonen: „Gentechnik greift in Bereiche ein, die Gott gehören, Gott allein!“ Wieder gibt es drei Einwände:
1.2 Lösungsansatz: Gentechnik als Handwerk
Die beiden widerlegten Argumente zielten auf eine Pauschalbewertung der Gentechnik. Jedoch zeigt sich, dass der Weg über solche generalisierenden Wertungen nicht zu einem vernünftigen Ziel führt. Eine differenziertere Beurteilung einzelner gentechnischer Entwicklungen je für sich tut not. Doch welche Perspektive bietet sich dafür an? Es bietet sich an, Gentechnik als das zu untersuchen, was der Begriff bezeichnet: eine Technik.
Der Begriff „Technik“ stammt vom griechischen Wort techne, Handwerk. Die Griechen verstanden unter Technik eine Kunstfertigkeit, die der Mensch sich durch stetes Probieren und Verbessern bewährter Handgriffe aneignet und weiterentwickelt. Solches Probieren bedarf keiner wissenschaftlichen und systematischen Vorüberlegung, es geschieht eher auf der Grundlage eines intuitiven, vorreflexiven und erfahrungsgeleiteten Gespürs für den richtigen Weg. Misserfolge sind von vorneherein einkalkuliert. Technik arbeitet mit der so genannten „black box“: Sie vollzieht bestimmte Handgriffe (Input) und erzielt ein dementsprechendes Ergebnis (Output). Daraus liest sie die Input-Output-Relation ab, kennt aber deren Grund (das Innere der black box) nicht notwendig. Technik ist so gesehen ein Mittel zum Zweck: Der Handwerker erhält einen Auftrag, den er so geschickt und schnell wie möglich auszuführen versucht. Effizienz und Zweckmäßigkeit sind die Indikatoren guter Technik. Der Techniker denkt in Kategorien der Machbarkeit: Was gemacht werden kann, das darf und soll auch gemacht werden.
Damit sind schon die beiden hauptsächlichen Grenzen des technischen Herangehens an die Wirklichkeit angedeutet:
1. Der Technik fehlt die gezielte Ursachenforschung. Diese Aufgabe wird dem logos und damit der (Natur.) Wissenschaft übertragen, die es sich zur zentralen Aufgabe gemacht hat, nach Ursachen, Zusammenhängen und Wechselwirkungen zu fragen. Damit aber einerseits die Technik nicht nur an Syptomen kuriert und andererseits die Wissenschaft auch auf ihre praktische Relevanz achtet, wurde schon in der griechischen Philosophie die Forderung nach ihrer wechselseitigen Rückbindung erhoben.
2. Der Technik fehlt die Frage nach dem Sinn und Ziel menschlichen Handelns, die klassische Frage der Geisteswissenschaften. Zur Zeit der Griechen waren Physik und Metaphysik, Naturwissenschaft und Philosophie noch eine Einheit, so dass mit der Bindung der techne an den logos ipso facto auch ein Sinnhorizont technischen Schaffens erschlossen wurde. Heute muss diese Anbindung neu hergestellt werden: Technik, Natur- und Geisteswissenschaften können nur in ihrer inneren Verbindung dafür sorgen, dass der Mensch seine Verantwortung für diese Welt angemessen reflektiert und wahr-nimmt. Eine in sich selbst gefangene, ursprungs- und ziellos sich selbst entfaltende Technik führt unweigerlich zu fatalen Fehlentwicklungen.
1.3 Technikbeurteilung durch Abschätzung und Bewertung ihrer Folgen
Die Bewertung des Handwerks „Gentechnik“ wird also nur möglich sein, wenn die aus ihrer Anwendung resultierenden Folgen in den Kontext eines umfassenden Sinnhorizonts gestellt werden. Dazu gilt es zwei Schritte zu unternehmen, die mittlerweile zum methodischen Standard der Technikbewertung zählen:
Die Technikfolgenabschätzung (IFA) als Abschätzung sowohl der sicheren positiven und negativen Folgen als auch der möglichen Chancen und Risiken einer Technik: Sie wird zwangsläufig eine Sache der Fachleute sein – der Laie kann hierzu wenig beitragen. Jedoch sind aus ethischer Sicht die Anforderungen an eine TFA zu spezifizieren:
1. Es muss sich um eine langfristig konzipierte Abschätzung der Folgen handeln.
2. Es muss eine hinreichend sichere Abschätzung sein (wobei das erforderliche Maß prognostischer Gewissheit im gesellschaftlichen Diskurs zu bestimmen ist und vom Ziel einer Technikanwendung wesentlich abhängt). Diese Forderung impliziert die Einräumung ausreichend langer Zeiträume für die Abschätzung, etwa um Versuche durchzuführen.
3. Es geht um eine umfassende Abschätzung unter Berücksichtigung aller Technikfolgen: Ökologische, medizinische, soziale, ökonomische, psychische und kulturelle Folgen sowie ihre systemischen Wechselwirkungen sind zu beachten.